Kleine Warenkunde: Cedro (a.k.a. Zitronat-Zitrone)

Bei meiner kleinen Schwärmerei über die sizilianischen Zitrusfrüchte hatte ich ja angekündigt, einer ganz besonderen Spezies noch einen eigenen Eintrag zu widmen - und zwar der Zitronat- oder auch Zedratzitrone.

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Eines vorweg: Eine Schönheit ist sie nicht, die Cedro, lateinisch Citrus Medica geheißen. Im Gegenteil: typisch für die Frucht ist eine höckrig-warzige, leicht ins säufernasige spielende, recht grobporige Schale. Den größten Unterschied zur ihr ansonsten phaenotypisch doch recht ähnlichen Zitrone offenbart die Frucht jedoch erst nach dem Anschnitt…

Das im Vergleich zu Zitrone und Orange deutlich stärker ausgeprägte Mesocarp (das Weiße unter der Schale). Es ist der eigentliche Clou der Früchte, im Gegensatz zu Orangen oder Zitronen, wo das Weiße ja, weil hauptsächlich bitter schmeckend, eher unerwünscht ist. Bei der Cedro ist es das Fruchtfleisch, das unschön bitter schmeckt und deshalb meist nicht verwendet wird. Das Weiße dagegen ist von feiner Delikatesse.

Im Normalfall wird es zu Zitronat weiterverarbeitet. Wenn man aber das leider recht seltene Glück hat, wirklich frische Früchte zu bekommen, sollte man die Cedro einfach einmal roh probieren. Das Fruchtfleisch wird entfernt und das Mesocarp in nicht zu dicke Scheiben (3-4 mm) geschnitten. Mit etwas Olivenöl (idealerweise aus der gleichen Gegend wie die Cedri), frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer (weißer wäre ebenfalls denkbar) und etwas Petersilie mariniert, erhält man so eine ebenso feine wie erfrischende Vorspeise.

Die Konsistenz der Frucht erinnert an eine noch nicht völlig reife Gala-Melone, sie ist dabei aber deutlich trockener (dabei aber doch von subtiler Feuchte). Durchzogen ist sie mit einem sehr feinen Aroma, das zwar an Zitronenschale erinnert, jedoch so überhaupt nichts von deren Penetranz oder Aufdringlichkeit hat - ganz im Gegenteil: dieses Fruchtweiße zeichnet sich durch eine ungemeine Finesse und subtile Eleganz aus.

In kleine Würfel geschnitten, kann ich  es mir sehr gut als frischen Akzent in eher frühlingshaft-leichten Salaten vorstellen*. Hier findet sich dagegen ein Rezept mit Kalbsbries und Salbei. Und wären sie mir angesichts ihrer momentan fast epidemischen Verbreitung nicht ein wenig über, könne ich mir auch sehr gut Experimente zusammen mit Jakobsmuscheln vorstellen.

*Wie ich eben gesehen habe, wurde die Cedro - in Form dünner Scheiben anstelle der von mir vorgeschlagenen Würfel - bei Vincent Klink im März tatsächlich zum Salat serviert.

Die Cedro, in der Antike auch Medischer Apfel genannt, ist wahrscheinlich die erste aller aus Asien nach Europa importieren Zitruspflanzen. Eine detaillierte Beschreibung der Zedratzitrone findet sich schon im Jahre 310 vor Christus. Heute hat sie - mit Ausnahme einer kleinen Nische zur Zitronat-Herstellung - so gut wie keine wirtschaftliche Bedeutung mehr. Was wirklich ausgesprochen schade ist, wie ich nach meiner kleinen Probe feststellen muss.

Nachtrag: Meine letzte Cedro hatte ich am Mittwoch mit in mein Seminar an der FH in Düsseldorf genommen, als kleine Kostprobe zur Sensibilisierung und Aktivierung der Sinne. Eine der Studentinnen schnitt dann aus dem Weißen der Cedro ein ungefähr mandarinenschnitz-großes Stück, das sie noch einmal mit einen tiefen Längstspalt versah. Da hinein kamen dann: etwas Thai-Basilikum, Koriander und hauchdünn geschnittener Galgant. Das Ergebnis war wirklich verblüffend gut. Die verschiedenen Aromen vereinten sich aus dem Stand zu einem perfekt harmonischen Gleichklang. Die leichte Zitrusnote des Galgant bildete die perfekte Brücke für die Vereinigung der sizilianischen und Thai-Küchen-Aromen. In dieser Form wäre diese kleine Komposition eine Zierde für jedes Fusion/CrossOver/Fingerfood-Büffet. Allenfalls ein Tropfen Öl (vielleicht einer 2:1-Mischung Olive/Sesam) könnte ich mir zur Abrundung noch vorstellen.

Die kleine Anekdote gibt mir aber auch Gelegenheit, der geneigten Leserschaft das zwar noch junge aber wie ich finde höchst lesenswerte Food-Blog eben jener Studentin ans Herz zu legen: La Cuisine Blanche von Ly Thanh Le.