Kurz-Info: Platon – Mathematik, Ideenlehre und totalitäre Staatsutopien

Der Sokrates Schüler Platon (ca. 427 – 347 v.Chr.) gehört zu den bedeutendsten Philosophen aller Zeiten. Als Sokrates 399 v.Chr. in Athen wegen Verführung der Jugend und Leugnung der Götter angeklagt und schließlich zum Tode verurteilt wurde, war Platon (etwa) 28 Jahre alt. Dass das demokratische Athen Sokrates den Prozess machte und eine Mehrheit seiner Athener Richter den Philosophen Sokrates für schuldig erklärte und zum Tode verurteilte, war sicherlich einer der Gründe, warum Platon stets ein so entschiedener Gegner der Demokratie blieb. Trotzdem hat Platon seine Akademie später (um 387 v.Chr.) im demokratisch geprägten Athen gegründet. Dem sehr wohlhabenden Platon wäre es dabei ein leichtes gewesen für seine Akademiegründung eine weniger demokratisch organisierte Polis zu finden. Aber Platon entschied sich bei dieser Standortfrage für seine Heimat-Polis, das kulturelle Zentrum der griechischen Antike: Athen. Die von Platon in Athen gegründete Akademie zählt dabei bis heute zu den geistesgeschichtlich einflussreichsten Institutionen aller Zeiten.

PlatonBald nach dem Tod seines Lehrers Sokrates verfasst Platon die Apologie, eine literarisch leicht aufbereitete Form jener Verteidigungsrede, mit der Sokrates seinen Anklägern vor dem Athener Gericht entgegen trat. Platon beschäftigte sich in seinem Werk noch mehrfach mit der Aufarbeitung von Anklage und Todes-Urteil im Fall Sokrates. Aber nur wenig in seinen Schriften dürfte so dicht bei der Wirklichkeit des Sokrates Prozesses sein, wie die Apologie. Platon beschränkt sich in seinem Werk keinesfalls auf die mehr oder minder freie literarische Aufarbeitung des tragischen Endes seines Lehrers Sokrates. Er hat uns vielmehr, ganz im Gegensatz zu Sokrates, ein thematisch vielfältiges (aber gelegentlich schwer zu interpretierendes) Schrifttum hinterlassen. Das von Platon bis in die Gegenwart überlieferte Werk besteht neben einigen Briefen aus einer Vielzahl von (meist frei erfundenen) Dialogen.

Obwohl in den (vorwiegend fiktiven) Dialogen nirgends eine Figur namens „Platon“ auftritt (die dominierende Figur der Dialoge trägt meist den Namen „Sokrates“), hat man an Hand der Dialoge eine Platon zugeschriebene philosophische Lehre rekonstruiert, die Ideenlehre:

So, wie die Geometrie ihre beeindruckenden Erfolge dadurch erzielt, dass sie sich nur mit idealen (idealisierten) Punkten, Linien, Dreiecken, Kreisen etc. beschäftigt (und sich für die kleinen Unzulänglichkeiten der sinnlich wahrnehmbaren Punkte, Linien, Dreiecke, Kreise, etc. überhaupt nicht interessiert), so soll auch die Philosophie vor allem dadurch voran gebracht werden, dass man auf eine akribische Untersuchung der sinnlich wahrnehmbaren Phänomene verzichtet und man sich stattdessen um das Erfassen der unveränderlichen idealen Objekte (nämlich der Ideen) bemüht.

Platon wurde von der damals noch jungen Disziplin der beweisenden Geometrie fasziniert. Und so soll über dem Eingang zur Akademie der Spruch geprangt haben: Kein Zutritt für die der Geometrie Unkundigen. Platon war zwar kein produktiv tätiger Mathematiker, pflegte jedoch zu beinahe allen bekannten Mathematikern seiner Zeit engen Kontakt. Einige der bedeutendsten Mathematiker der Antike arbeiteten und lehrten (zumindest zeitweise) an Platons Akademie. Seine solide mathematische Ausbildung erlangte Platon aber vermutlich schon vor der Gründung der Akademie: Er erhielt wahrscheinlich Unterricht vom berühmten Archytas von Tarent. Platon lernte diesen pythagoreischen Mathematiker nach dem Tod des Sokrates auf einer längeren Reise (der sogenannten ersten sizilischen Reise ca. 390 v.Chr.) kennen. Archytas wird dabei nicht nur die Rolle von Platons mathematischem Lehrmeister zugeschrieben. Die Beziehung Platons zu Archytas dürfte auch dafür verantwortlich sein, dass Platons bestens mit den pythagoreischen Lehren vertraut war und so später vieles aus den pythagoreischen Lehren in sein eigenes Denken und seine eigene Philosophie übernehmen konnte.

Schon in der Antike sind vielen allerlei Ähnlichkeiten zwischen den pythagoreischen Lehren und Platons Positionen aufgefallen. Allerdings gibt es auch viele Aspekte der Ideenlehre Platons, die nicht an pythagoreische Lehren anknüpfen. Die Kernpunkte der Ideenlehre Platons lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Insbesondere der letzte Punkt ist bei Platon mit der Propagierung eines autoritären Staatsmodells verbunden. Im Dialog Politeia (Der Staat) entwirft Platon ein Modell eines vorgeblich gerechten Sozialwesens, in dem philosophisch erleuchteten Regenten das Recht auf allerlei Lug und Trug eingeräumt wird und in der die systematische Täuschung der philosophisch weniger Gebildeten ausdrücklich Programm ist. Der bekannteste Teil des Dialogs Politeia ist das Höhlengleichnis. Mit diesem Gleichnis wirbt Platon für die Position, dass das gewöhnliche Volk im Zustand derartiger Ahnungslosigkeit lebt, dass es vollständig gerechtfertigt ist, es unabhängig von seinem eigenen Wollen und Meinen der Herrschaft eines Philosophenkönigs zu unterwerfen.

Während des 2. Weltkriegs hat sich der (damals nach Neuseeland emigrierte) österreichische Philosoph Karl Popper mit der Frage beschäftigt, warum viele europäische Intellektuelle für totalitäre Staatsmodelle so überaus empfänglich sind. Im ersten Band seines zweibändigen Werks „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ identifiziert Popper gerade Platon als einen der wirkmächtigsten Propagandisten totalitären Denkens, insbesondere wirft Popper dem antiken Philosophen Platon vor, ein totalitäres Konzept von Gerechtigkeit zu vertreten. Poppers etwas polemisch vorgetragene Platon Interpretation und Platon Kritik ist bis heute Gegenstand heftiger Kontroversen.

Kontrovers ist auch, ob die in Platons Dialogen durchschimmernde Ideenlehre überhaupt Platons eigentliche Philosophie war, oder ob es daneben noch eine Art Geheimphilosophie Platons gab, die nur ihm und einigen wenigen Mitgliedern der Akademie bekannt war. Einige Passagen aus Platons sogenannten siebten Brief, sowie einige Anmerkungen bei Aristoteles lassen es als durchaus plausibel erscheinen, dass es abseits der Ideenlehre noch eine ungeschriebene Lehre Platons gab. Aber auch hierüber wird heftig gestritten.


Der Text Platon - Mathematik, Ideenlehre und totalitäre Staatsutopien (www.antike-griechische.de/Platon.pdf) versucht sich auf 86 Seiten an einer kritischen Einführung in Platons Philosophie.

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