Das Bankgeheimnis ad absurdum geführt

Bei der Lektüre der 4812 Seiten vertraulicher Kundendaten beschleicht einen das Gefühl, dass hier jemandem ein grober Fehler unterlaufen ist. Im Rahmen eines US-Amtshilfegesuchs wegen Steuerbetrugs hatte die Credit Suisse (CS) diese Informationen an die Eidgenössische Steuerverwaltung

Drucken
(Z. B.)

Bei der Lektüre der 4812 Seiten vertraulicher Kundendaten beschleicht einen das Gefühl, dass hier jemandem ein grober Fehler unterlaufen ist. Im Rahmen eines US-Amtshilfegesuchs wegen Steuerbetrugs hatte die Credit Suisse (CS) diese Informationen an die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) geschickt. Statt nur die geforderten Daten zu letztlich fünf US-Bürgern nach Bern zu schicken, lieferte die CS zusätzlich ohne jegliche Anonymisierung die gesamten Kontoinformationen von über 125 nicht vom Gesuch betroffenen Nichtamerikanern. Diese Daten wurden von der EStV ungefiltert an die Anwälte der fünf betroffenen Amerikaner weitergeschickt. Von einem Fehler wollen aber die CS und die EStV nichts wissen. Bei der CS sollen die Juristen zum Schluss gekommen sein, die EStV-Verfügung fordere eine derart umfassende Datenlieferung. Die EStV erklärte, Daten von Dritten müssten geprüft werden, um mögliche Querverbindungen aufzudecken.

Diese Aussagen klären nicht, wie vertrauliche Bankkundendaten von Nichtbetroffenen nach Bern und von dort aus an Dritte gelangten, womit das Bankgeheimnis verletzt wurde. Bis vor wenigen Jahren versuchten die Schweizer Banken stets, EStV-Verfügungen so eng als möglich Folge zu leisten – wegen des Bankgeheimnisses. Der Druck vor allem aus den USA habe aber dazu geführt, erklären Involvierte, dass die Banken heute öfter einer umfangreicheren Auslieferung zustimmten. Grosszügiger sei hier auch die EStV geworden, nicht zuletzt wegen einer Regierung, die das Bankgeheimnis stark in Frage stellt. Zu einer deutlich grösseren Datenlieferung dürften zudem die neuerdings möglichen Amtshilfegesuche per Gruppenanfrage führen. Was der Politik vorschwebt, was Gruppenanfragen in der Praxis bedeuten sollten, ist allerdings weit von diesem konkreten Fall entfernt. Sollte dieser exemplarisch die Zukunft der Schweizer Amtshilfe abbilden, muss Bern noch einmal definieren, wofür das Bankgeheimnis stehen soll. So jedenfalls wird dieses ad absurdum geführt.