Syriens Frauen bleiben in Genf ungehört – zum Schaden des Friedensprozesses

Obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, dass Frauengruppen einen wichtigen Beitrag zu Friedensverhandlungen leisten können, bleiben syrische Frauen von den derzeitigen Verhandlungen in Genf ausgeschlossen. Friedensprozesse wie der in Nord-Irland in den 1970er/80er Jahren, welcher maßgeblich von Frauen eingeleitet wurde, oder jene in Guatemala, Sri Lanka und Bosnien in den 1990er Jahren haben gezeigt, welchen bedeutenden […]

Aktivistinnen von Code Pink demonstrieren in Montreaux für ein Ende des Krieges in Syrien.
Aktivistinnen von Code Pink demonstrieren in Montreaux für ein Ende des Krieges in Syrien.

Obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, dass Frauengruppen einen wichtigen Beitrag zu Friedensverhandlungen leisten können, bleiben syrische Frauen von den derzeitigen Verhandlungen in Genf ausgeschlossen. Friedensprozesse wie der in Nord-Irland in den 1970er/80er Jahren, welcher maßgeblich von Frauen eingeleitet wurde, oder jene in Guatemala, Sri Lanka und Bosnien in den 1990er Jahren haben gezeigt, welchen bedeutenden Einfluss weibliche Vertreter nicht nur auf den erfolgreichen Abschluss, sondern auch auf die nachhaltige Umsetzung von Friedensvereinbarungen ausüben können. Beindruckende Netzwerke zwischen syrischen Frauen verschiedener politischer Ausrichtungen bestehen bereits, doch fehlt ihre Stimme bis jetzt am Verhandlungstisch von Genf II.

Zu diesem Thema trafen sich am Dienstag (21.01.) wichtige VertreterInnen der globalen Frauen-Friedensbewegung, zusammen mit syrischen Aktivistinnen verschiedener politischer Strömungen. Federführend organisiert von der amerikanischen Organisation ‚Code Pink’ und unter Teilnahme namhafter Frauen wie Friedensnobelpreisträgerin Sherin Ebadi und Professorin Cynthia Enloe, erzählten Friedensaktivistinnen detailliert und praxisbezogen von ihren Erfahrungen am Verhandlungstisch.

Als entscheidend wurde genannt, dass sich der Druck von Frauen auf kriegstreibende Parteien stark erhöht, wenn sie als unabhängige Vertreterinnen zivil-gesellschaftlicher Organisationen auftreten. Die dominierende Vorstellung von Frauen als Opfer von Krieg – und in Konfliktzeiten zudem hauptverantwortlich für das Wohl von Kindern – ist zwar oft stereotyp, verschaffe Frauen aber auch Legitimation und Macht, wenn sie ‚ihre’ Männer vor die Verantwortung stellen, die Waffen schweigen zu lassen. Diesen Einfluss ungenutzt zu lassen, sei eine zentrale und extrem kurzsichtige Verfehlung des UN-Beauftragten Lakhdar Brahimi, sagte Madeleine Rees, Generalsekretärin von WILPF, der Women’s International League for Peace and Freedom. Brahimi, der dieser Tage die Verhandlungen zwischen syrischer Regierung und (Teilen der) Opposition leitet, müsste wissen, dass das Fehlen von Frauen am Verhandlungstisch ein Hauptgrund für das Scheitern von 70 Prozent aller Friedensverträge sei. WILPF hat in den letzten Monaten aus diesem Grunde viel Lobby-Arbeit bei UN-Missionen geleistet, mit mittelmäßigem Erfolg.

Eine moderierte Gesprächsrunde syrischer Frauen umfasste unabhängige Vertreterinnen der zivilen Opposition wie z. B. Rim Turkmani, die als Astrophysikerin in London tätig ist, sowie zwei Vertreterinnen der regierungsnahen Syrian Women’s Federation. Politische Differenzen traten deutlich zutage, doch waren sich alle Teilnehmerinnen einig, dass ein Ende des Blutvergießens oberste Priorität habe und dass ein friedlicher Dialog möglich sei. Angesichts der aktuell extrem aufgeheizten Atmosphäre zwischen den Konfliktparteien war allein die Tatsache, dass sich diese Frauen von Angesicht zu Angesicht friedlich austauschten, beindruckend.

Muna Ghanem, Sprecherin des Syrian Women’s Forum for Peace, stellte deren Friedensplan für Syrien vor, der sich hauptsächlich auf die alltäglichen Bedürfnisse der Zivilbevölkerung und der Flüchtlinge konzentriert. Das Forum hat schon mehrere Konferenzen mit Frauen aller politischen Lager organisiert und sehr interessante Meinungsumfragen in Syrien und syrischen Flüchtlingslagern durchgeführt.

Einig waren sich alle syrischen Sprecherinnen, dass ausländische Kräfte den Krieg in Syrien maßgeblich negativ beeinflussen und dies so schnell wie möglich unterbunden werden müsste. Dazu zählten nicht nur die vielen religiösen Fanatiker, die nun aus aller Welt nach Syrien einreisen, sondern z.B. auch die Regierungen von Saudi-Arabien und Iran. Mehrere vielversprechende Waffenstillstände auf lokaler Ebene seien durch den Einfluss fremder Regierungen gescheitert. Zentral für die Lösung des Konflikts sei, dass Syrer und Syrerinnen selbst die Zukunft ihres Landes regeln müssen. Dafür sei ein Dialog unerlässlich.