KE/HIL: Zone 0

B. Moloch und W. Herich sind beide seit Jahrzehnten im Bereich atonaler, analoger, oft transgressiver Musik tätig und debütierten als Ke/Hil – eine Wortschöpfung aus den bürgerlichen (Nach-)Namen der beiden – 2010 mit „Hellstation“, auf dem unter dem Motto „Music for the Prekariat“ [sic] die Stadt als desolater Ort des Verfalls (re)präsentiert wurde: Schwarz-weiße Bilder zeigten Unterführungen, die an Gaspar Noés pièce de résistance Irreversible denken ließen, Haltestellen waren außer Betrieb und das Titelstück des Albums war Ke/Hils Interpretation von Monte Cazazzas „Stairway To Hell“ und ließ sich durchaus programmatisch verstehen.

Auch der Nachfolger steht unter dem gleichen Motto, situiert die Stätte des Verfalls und Verfallens aber eindeutig(er): Das beiliegende Poster zeigt die Heimatstadt der beiden Musiker: Mannheim. Dabei weisen Pfeile auf die Stadt als Ort des „Precariata Extremista“ hin. Das Ruppige, Aggressive, das die Stammprojekte der beiden oftmals prägt(e), wird auf “Zone 0″ wenn vielleicht nicht gänzlich zurückgenommen, so dann doch oft gezügelt und gebremst.

Das das Album eröffnende, lapidar betitelte „Work Church Poverty“ ist eine knapp viertelstündige Tour de Force aus verzerrten Stimmen, analogem Brummen, das sich im weiteren Verlauf zu rabiatem Stampfen verdichtet, eher aber Death Industrial als Power Electronics. Inmitten der Kakophonie wird dann aus der Verabschiedung des Stammapostels der neuapostolischen Kirche Wilhelm Leber zitiert: „„Du hast uns in den acht Jahren mit deiner wunderbaren Art gedient.“ Ein Satz, der durch die lapidare Darbietung mehr als ironisch klingt. „Passage“ beginnt zurückhaltender: Dunkles Pulsieren und unruhige Klangflächen machen aus dem Stück eine Art von atonalem (Dark) Ambient, der sich im zweiten Teil des Stücks aber dann in Richtung Death Industrial bewegt. „Bridges“ knüpft daran an, lässt im Hintergrund Stimmen auftauchen, während es im Vordergrund pulsiert. „Infirmity Anthem“ ist musikalisch ähnlich, wobei ab der Hälfte verzerrte Vocals dazukommen. „Ghost of Common Past“ ist durch die verzerrten Vocals und die stampfende, stakattohafte  Rhythmik das vielleicht zugänglichste Stück, allerdings – glücklicherweise möchte man sagen – meilenweit von der Tanzfläche entfernt. Das ironisch betitelte „Children of the Devolution“ ist eine dunkle, von Unruhe geprägte Klangfläche, bei dem mit leicht verzerrter Stimme der Text rezitiert wird, während im Hintergrund Stimmen durcheinander gehen; das ist definitiv das atmosphärischste Stück auf “Zone 0″ und mein persönlicher Favorit. „Lifebuster“ schließlich beendet das Album: Störgeräsuche, dröhnende Flächen wie Wind, völlig verfremdete Stimmfragmente. Das ist urbaner Ambient, das Album selbst ließe sich mit dystopische Variationen in Tiefgrau betiteln.

Ich habe schon bezogen auf das Consumer Electronics-Album geschrieben, dass eine Lesart des Ganzen als sozialkritisch und engagiert deplatziert ist und auch Ke/Hil sind keine Entrüsteten. Vielmehr hat man immer den Eindruck des Changierens zwischen Abgestoßensein und (klamm)heimlicher Freude an dem, was man dem Hörer präsentiert.  Ganz sicher nicht die schlechteste (Post-)Industrial-Veröffentlichung dieses Jahres. (J.M.)

Label: Tesco