Mauritius – Requin Mako

»Lebendköder – Drop Back«

Endlich hat uns die „Heimat“ – die Perle des Indischen Ozeans wieder. Der vierte Tag auf See, ein kleiner und mittlerer Blue Marlin sind schon auf unsere Ilander reingefallen. Nur noch der „Big Blue“ fehlt.

Am frühen Morgen ist die beste Zeit zum Fang für Köderfische. Heute wollen wir es mit lebenden Ködern probieren. Das alte Ritual: 6:30 Uhr raus, nach zehn Minuten sind wir im tiefen Wasser. Ein Vogelschwarm am Horizont – Full Speed – dort müssen wir hin, hier gibt es Köderfische! Sternförmig fahren die anderen Boote und wir um die raubenden Skip Jacks. Ein Dreierstrike – zwei mit ca. 10 kg fangen wir. Die Vorfächer liegen schon bereit, die Montage ist schnell ausgeführt. Nach knapp einer Minute schwimmen die Köderfische wieder im Wasser. Einen auf die 130iger den anderen auf die 80iger über die Outrigger. Conrad, unser mauritianischer Skipper dreht die Kestrel in den Wind, ein Motor aus, der andere läuft mit kleiner Drehzahl.

Die „Fallen“ sind gestellt. Nach einer halben Stunde lässt die morgendliche Brise nach und die See wird spiegelglatt. Für Mauritius untypisch, hier ist die See meist recht unangenehm, lange hohe Wellen und eine Brise aus Süd-Ost sind normal. „Wer jetzt bei dieser Hitze ran muss, ist ein armer Hund“. Meine „klugen“ Worte sind noch nicht richtig verhallt, reißt die 80iger aus der Klammer. „Allez Robert…“, ich bin an der Reihe. Ich ziehe demütig meinen Harness an und setze mich in den „Folterstuhl“. Die gestrige Seganacht und die Anzahl der „Phönix“ war zwar lustig aber doch ein bisschen viel und dazu wurde es sehr spät. Macht nichts, da muss ich durch! Die Leine läuft flott in „Free-Position“. Die anderen Ruten sind verstaut, das Heck ist frei, der Tanz kann beginnen. Conrad startet den zweiten Motor. Meine Hand liegt auf der rotierenden Spule, ich spüre die Bewegungen des Fisches. Bisher hatte er den Köderfisch quer im Maul, jetzt verschlingt er ihn Kopf voran. Ich zähle bis fünf und gebe das Kommando: „Conrad, roule tres vite…“. Er gibt mit beiden Maschinen Vollgas, die Kestrel kommt ins Gleiten. Ich stütze mich ab und mache die Bremse zu. Die Rute verneigt sich und biegt sich kräftig durch. Die Rolle pfeift los, der „Drop Back“ ist gelungen, der Fisch hängt! Er reißt 400 bis 500 m mit grandioser Geschwindigkeit von der Rolle und kommt hoch. Aber was jetzt? Alle erwarten einen Marlin. Dieser Fisch springt aber mehrmals senkrecht in die Luft! Conrad schreit: „Mako … Mako“. Der Mako fightet mit der gleichen Gewalt und Geschwindigkeit, aber solche Sprünge, 10 bis 15 m senkrecht, habe ich bei einem Marlin noch nie gesehen! Conrad: „Gros Mako … 800 Livres!?“ Nach einer Viertelstunde blicke ich nicht mehr durch, der Mako hat sich beruhigt. Er lässt sich ohne großen Widerstand her dirigieren. Das kann doch noch nicht alles gewesen sein? Er schwimmt zwar widerwillig, nicht aber aggressiv. Ich habe das Gefühl, als ob ihn zwar der Zug der Leine und Haken stören, er sich aber trotzdem den Verursacher näher anschauen will. Langsam frage ich mich, wer hat hier wen am Haken? Der Mako ist nur noch 50 m entfernt, schwimmt knapp unter der Oberfläche und schaut böse rüber. Conrad hat die anderen auf die Flying Bridge verbannt und ich höre die Rufe: „Was für ein Fisch … Wahnsinn“! Was mich noch irritiert, ist das Verhalten der Crew. Normalerweise springen die Mauritianer, wenn ein Marlin so nahe am Boot ist. Meist muss man sie zurückhalten, wenn ein Fisch noch „green“ ist. Heute halten sich die Jungs zurück, scheinbar haben sie genauso die Hosen voll wie ich.

Jetzt oder nie

Jetzt will ich es wissen und drille mit aller Gewalt. Er mag das nicht, reagiert aber nicht wie ein Marlin, sondern kommt mit großer Geschwindigkeit, eine große Welle vor sich herschiebend, auf das Boot zu. Conrad muss Gas geben und wegfahren. Ich fighte weiter – der Mako hat scheinbar begriffen, dass ich hier nicht zur Gaudi sitze und wird böse. Jetzt verstehe ich, was die Australier mit „Blue-Silver Dynamit“ meinen, das Wasser „kocht“, ich werde klatschnass, der Mako ist mehr in der Luft als im Wasser und ich höre nur noch wie er krachend ins Wasser zurückfällt. Er springt nicht vom Boot weg, sondern immer in meine Richtung – gruselig! Conrad muss immer wieder durchstarten und Abstand schaffen. Ich will den Fight jetzt hinter mich bringen und drille was das Zeug hält. Ich bekomme die Doppelleine auf die Rolle und endlich, der Wirbel ist an der Rutenspitze. Mehr kann ich nicht mehr tun. John, der Wireman greift den Leader, duckt sich hinter der Bordwand und versucht mit aller Kraft den Mako in die Reichweite des Flying-Gaffs zu ziehen.

Jetzt ist wirklich der Teufel los

Der Mako springt und dreht sich um seine eigene Achse. Ich sehe noch, wie er sich im Leader verwickelt, durchstartet und mit seiner explodierenden Kraft vom Boot wegschwimmt. Das einzige was ich noch mitbekomme ist, wie mir Wirbel und Leaderreste um die Ohren fliegen. Der Mako hat es tatsächlich geschafft, ein Edelstahlseil 7×7, 2 mm aufzudrehen und zu sprengen – Wahnsinn! Der Spuck ist vorbei das Spiel verloren. Der Indische Ozean liegt da, als sei nichts geschehen. Kein Wort fällt und wir schleppen zurück Richtung Heimat. Nach einer Weile erfahre ich den Grund für das passive Verhalten der Crew. In dieser Saison gab es schon einen bösen Unfall mit einem Mako. Vor zwei Wochen kam John ebenfalls einer entgegen und verpasste ihn nur um Haaresbreite. Wir verstehen, keine Kritik oder Diskussion, die Gesundheit geht immer vor. Alle die dabei waren, werden die letzten zwei Stunden nie vergessen. Wenn wir uns heute treffen – garantiert nach einer halben Stunde fängt einer damit an. Wenn ich ins Meer zum Schwimmen geh kommt „Schwimm nicht so weit raus … du weist, irgendwo da draußen schwimmt einer, der hat deinen Haken im Maul und noch eine große Rechnung mit dir offen“. Na ja – hier hinterm Riff ist das Wasser auch schön.

Bad Luck

»Haiattacke vor Mauritius«

Das dreizehnte Mal auf Mauritius, mit von der Partie: Christa, Albrecht Maier, Peter Konecny und ich. Tagelanges Warten, Bad Luck, Good Luck… alles haben wir schon erlebt und durchlitten, auch schon zwei Hurrikans. In diesem Jahr scheint uns der Gott der Meere auf die Verliererliste gesetzt zu haben. Der zehnte Tag auf See, die Stimmung ist am Tiefpunkt, wir haben alles probiert, es ist wie verhext. Es fing so gut an, am ersten Tag fing Peter einen 100+ Blue Marlin, den wir markierten und freiließen. Danach Sendepause, sogar die Skip Jacks beißen nur sporadisch. Wir hoffen auf unsere Ilander, so oft haben sie uns „gerettet“. Gegen zehn, von der Flying Bridge aus beobachte ich die Köder. Plötzlich ein Schatten hinter meiner Bird-Ilander-Montage. Ich rufe noch: „Habe ich schon Halluzinationen? Da seht doch…“, im gleichen Augenblick schnellt der Ausleger vor, die Gummis reißen, der Ausleger federt zurück, Conrad gibt Vollgas, die Rute biegt sich und die Rolle pfeift los. Eindrücke und Geräusche, die sich für immer im Gedächtnis eingraben. Jetzt ja keinen Fehler machen, vielleicht unsere letzte Chance. Der Blue Marlin springt am Horizont – Conrad: „600+ livres, deux hameçons…“. Ich spüre es, der richtige „Gegner“ an der 80er. Ich drille hart und konsequent, mit Kunstködern muss es so laufen. Nach einer halben Stunde kommt die Doppelleine aus dem Wasser. Ich sehe den mächtigen Schatten und versuche das Vorfach in Johns Reichweite zu bringen. Was ist das? Ein zweiter Schatten folgt. Der Marlin wird nervös und versucht zu flüchten. So hat er aber keine Chance. Ein großer Whitetip packt zu. Ich spüre wie er sich festbeißt und den Marlin durchschüttelt, das unangenehmste Gefühl, das mich je beim Angeln überkam. Ein großer Marlin, keine zehn Meter entfernt und wir müssen hilflos zuschauen, wie er aufgefressen wird. Jetzt packt er wieder zu. Conrad gibt Gas, der Hai folgt, er weiß was er will. Plötzlich, John springt zur Fischbox nimmt einen montierten Skip Jack, Albrecht und Peter machen blitzschnell eine Angel fertig und werfen ihm den Köderfisch direkt vors Maul. Der Hai packt zu und verschlingt ihn.

Jetzt der Anhieb, ich stemme mich ab und hoffe, dass der tote Marlin nicht abreißt oder ausschlitzt. Der Hai hängt, nach fünf Minuten haben wir die Situation wieder im Griff. Albrecht muss den Hai, mit einer 80er Trollingrute stehend drillen, ein harter Job. Jetzt kommt die Rache, John hat das Vorfach gepackt. Mit zwei Keulen wird der Hai ins Jenseits befördert. Angler und Haiattacken – das passt irgendwie nicht, hat wohl sein müssen. Mit vereinten Kräften bringen wir den Marlin an Bord. Keiner kann hinsehen, eine Seite ist stark verstümmelt. Wir drehen ihn um. Wir schleppen noch drei Stunden, nichts rührt sich mehr. Am Abend ein Menschenauflauf. Unser Freund Regis wiegt den Marlin, 498 lb sind es noch; schade. Der Hai bringt 285 lb. Rechnet man zusammen, fingen wir ca. 800 lb in einer Stunde – Bad Luck?

Zwei Jahre später traf es unsere Angelfreunde Tamara und Hans Scheithauer noch härter.