Warteck Basel: Von der Traditionsbrauerei zum pulsierenden Kulturquartier

Der alte Brauereikomplex mit seinem markanten Turm ist schon von Weitem zu sehen, eingebettet in ein beschauliches Quartier mit Wohnhäusern und kleineren Gewerbebauten. Noch immer verströmen die Brauereigebäude einen Hauch der Zeit, als hier hektoliterweise Warteck gebraut wurde. Für einen symbolischen Franken verkauft und für drei Millionen Franken umgebaut, durfte der Baseler Kulturraum Warteck jetzt die Eröffnung des Malzsilos erleben.

Licht und Kultur sollen das ehemalige Malzsilo der Brauerei Warteck, ein Gemeinschaftsprojekt von Eigentümerin und Mietern, mit Leben erfüllen, denn der Kulturraum Warteck vergrössert sich um 732 Quadratmeter. Einst fensterloses Silo, schafft jetzt ein mehrstöckiges Gebäude Platz für neue Ideen, im Mai soll das Kulturcafé im fünften Stock Eröffnung feiern.

Vier Obergeschosse, Erdgeschoss und drei Untergeschosse warten darauf, dass Proberäume, Musikstudio, das Büro des Quartiertreffpunkts Burg sowie Ateliergemeinschaften aus Fotografie, (digitaler) Kunst, Innenarchitektur und Textildesign einziehen. Im dritten Stock ist ein Hostel geplant. Das Malzsilo zugänglich zu machen, war eine echte Herausforderung für das Basler Baubüro: Man traf auf zwölf vertikale Malzsilokammern – ohne Fenster, ohne Stockwerke.

Das Warteck, von 1872 bis 1991 industriell genutzt, soll für Menschen jeden Alters da sein und sein Gesicht dabei ständig wandeln. Strahlkraft für das Wettsteinquartier entwickeln, lautete das Ziel des Vereins Werkraum Warteck bei Vergabe der Räumlichkeiten. Peter Bläuer, Direktor der Kunstmesse „Liste“ und Baukommissionsmitglied, ergänzt, Durchmischung sei stets Ziel im Warteck-Areal gewesen. Wie eine Art Dorf böte das Warteck nicht nur Platz für Ateliers, sondern auch Handwerker und Firmen.

Die Geschichte vom Bierchen am Warteck

An der Ecke auf Pferdedroschke und Zug warten – aus der Geschichte Basels nicht wegzudenken. Beim Eröffnungsjahr sind die Historiker uneins: Das Schild der Brauerei und Wirtschaft Ecke Clarastrasse/Riehenring, früher Bahnhofstrasse, wies 1856 aus, andere datieren die Eröffnung mit 1862 – dem Jahr, als auch der Badische Bahnhof vollendet wurde.

Fest steht, dass Gründer Niklaus Emanuel Merian-Seeber (1828-1872), genauso wie sein Bruder, einfach Bierbrauer werden musste: Sein Vater, der Ratsherr und Bierbrauer Emanuel Merian-Falkner (1795-1856), stadtbekannt als Käsmerian, verdankte seinen Spitznamen dem Brauch, für 25 Rappen ein Glas Bier, Käse und Brot zu servieren. Ab 1869 sorgte der neue Inhaber Bernhard Füglistaller für Aufschwung und Erweiterung, so dass 1887 nach Entwürfen des Basler Architekten Gustav Kelterborn (1841-1908) eine neue Bier- und Konzerthalle über dem Malzkeller entstand.

Bald wurde es am Badischen Bahnhof zu eng: 1890 zog die Brauerei an den Burgweg in Kleinbasel um. In ihren Kellern mit Namen Einer, Zweier und Dreier lagerte tief unter dem Boden verführerisch kühles Nass, aber auf Trunkenheit bei der Arbeit stand die fristlose Kündigung. Auch ansonsten strenge Sitten – im Hause lebenden Angestellten schrieb die Brauerei vor, spätestens um 22 Uhr im Bett zu sein.

In den frühen 1930ern erweiterte das Unternehmen, das sich seit den 1890ern eigene Güterwagen für den Biertransport leistete, Treberlagergebäude, Kohle- und Malzsilo, Sudhaus und Wasserturm. Leider verging den Schweizern in den 1970ern die Lust auf kühle Blonde. Weil der Pro-Kopf-Konsum an Bier stark zurückging, versuchte Warteck, dem Konkurrenzdruck mit Spezialbieren wie Light und einem Warteck-Alt, dem ersten Schweizer Altbier überhaupt, zu begegnen.


Warteck-Turm (Bild: © http://www.werkraumwarteckpp.ch/)


Vergeblich: 1989 musste Warteck seinen Getränkebereich an Feldschlösschen verkaufen, das 1991 mit der Produktion nach Rheinfelden ging – und 2006 das 150-jährige Bestehen der Marke mit dem Jubiläumsbier Warteck 1856 feierte. Glaubt man seinen Fans, ist das moderne Warteck ein süffiges Spezialbier mit angenehm herbem Hopfenaroma.

Werkraum Warteck: Neue Kulturperspektiven

Was sollte mit dem historischen Brauereigebäude geschehen? Heftige Kritik hatte folgender Entwurf bei Denkmalpflege und Stadtbildkommission ausgelöst: Gerade die aus denkmalpflegerischer Sicht bedeutendsten Gebäude wie das Magazin- und Gärkellergebäude sowie das Treberlagerhaus mit Malzsilo sollten geopfert werden! Umgehend beantragte der Denkmalrat, diese unter Schutz zu stellen – abgelehnt.

Dagegen sah eine Vision des Architekten Roger Diener das Industriedenkmal als Werkraum – und wollte die Warteck Invest AG für eine Wohn- und Büroüberbauung gewinnen, um den Erhalt der alten Gewerbearchitektur städtebaulich sinnvoll, aber finanziell rentabel zu machen. Im November 1993 ergibt ein positiver Volksentscheid: Das Brauereigebäude bleibt und wird mit dem Ziel kultureller und gemeinnütziger Nutzung durch die Stiftung Warteckhof verwaltet, während der Verein Werkraum Warteck pp als Mieter dort einzieht.

Werkraum? Ein Gedanke, der seine Wurzeln in der Jugendbewegung der 1980er hat – mit soziokulturellen Initiativen wie der Alten Stadtgärtnerei. Was im Pilotprojekt Werkraum Schlotterbeck (1990-1993) mit Handwerks- und Kunstateliers begann, setzt sich in Warteck fort. Das „pp“ im Namen steht für das Motto „permantes Provisorium“ und eine Lern- und Lehrwerkstatt, deren Strukturen und Teilnehmer sich ständig weiterentwickeln.

Mit Überzeugungswillen, Experimentierfreude und Hartnäckigkeit kämpfte Werkraum Warteck für die Realisierung. 1993 zogen die ersten Mieter provisorisch ein, obwohl nur ein Drittel der Räume die vorläufige Nutzung zuliess. In Jahren des Leerstands sich selbst überlassen, galt es, Schmutz und Schäden zu beseitigen: Überall Bodenlöcher, Betonsockel und Brandspuren, dazu hatten sich Hunderte Tauben dort eingenistet. So geriet die Arbeit im harten Winter mit Hilfe von Stromprovisorien und dezentralen Holz- und Ölöfen bei beissender Kälte zu einer echten Herausforderung, war aber von Erfolg gekrönt: 1996 zeichnete der Basler Heimatschutz das Umnutzungsprojekt als beispielhafte Lösung aus.


Werkraum Warteck – neue Kulturperspektiven (Bild: © http://www.werkraumwarteckpp.ch/)


Warteck zieht an: Wohnen und leben im Industriemagneten

Heute ist das Warteck als lebendiges Industriedenkmal ein Quartierteil mit hoher Nutzungs- und Erlebnisdichte, das einst mit Schreinerei, Schlosserwerkstatt, Bildhaueratelier, Kinderhort und Tanzraum startete. Zehn Jahre nach Abschluss der Umnutzung existieren über 40 unterschiedliche, durch die Quartierbürger regelmässig genutzte Werkraumangebote. Der Treffpunkt Burg sorgt mit Kinderkleiderbörsen, einer DJ-Schule für Frauen oder Volkstanz für Menschen mit Handicap für Leben im Quartier.

Dazu haben seine Veranstaltungen im Sudhaus das Industriedenkmal über die Region Basel hinaus bekannt gemacht – wie die jährliche „Liste – the young art fair“, die parallel zur Art Basel läuft. Für sechs Tage müssen die Schreiner Künstlern weichen – um dann Bratwurst und Klöpfer an die Messebesucher zu verkaufen.

Auf der Fläche von 1,6 Hektar ist noch viel Patina industrieller Vergangenheit und Industriegeruch zu spüren, wenngleich sich der brauereitechnische Bezug erst auf den zweiten Blick erschliesst – fast alle Maschinen und Anlagen wichen neuer Nutzung. Zentrumsnah und nur einen Katzensprung zum Rheinufer, hat sich das Warteck zu einer attraktiven Adresse gemausert.

2003 wurden die neuen Wohnhäuser fertiggestellt. Zugegeben, die Wohnungen verfügen nicht über Balkon, aber dafür aussichtsreiche Dachterrassenabteile – mit Blick auf den Rhein. Ist der Aussenraum auch spartanisch begrünt, so entsteht durch die vielen kleinen Plätze, schmalen Innenhöfe, Durchgänge und die Präsenz historischer Gebäude, Zeitzeugen industrieller Vergangenheit, eine fesselnde Atmosphäre urbaner Dichte.

Der Ausbau des Malzsilos verbindet nun bestehende Gebäudeteile. Der ehemalige Malzturm präsentiert jetzt neun über Treppe oder Lift zugängliche Etagen, davon zwei im Keller, jedes Stockwerk bietet zwischen 74 und 90 Quadratmetern. Die beiden obersten Geschosse, die für öffentliche Projekte reserviert sind, sind zwar kleiner, aber punkten dafür mit Aussichtsterrassen.

Ein lebendiges Areal mit kreativem Potenzial, das wirkt, als sei der Nutzungsmix an diesem Kleinbaseler Begegnungsort nie anders gewesen. Kultur im Warteck steht für vernetztes Denken, Zusammenleben und -arbeiten von Menschen unterschiedlichster Berufungen. Oder, wie es Martin Thüring von der Arbeitsgruppe Malzsilo mit seinem Film über die ersten elf Jahre Werkraum Warteck pp formuliert: Keep on moving!

 

Oberstes Bild: Warteck Basel – von der Traditionsbrauerei zum pulsierenden Kulturquartier (Bild: © http://www.werkraumwarteckpp.ch/)

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