Eine Anklage und eine Entschädigung

Die Titularprofessorin Iris Ritzmann muss sich wegen mehrfacher Amtsgeheimnisverletzung vor Gericht verantworten. Ihr Partner Eberhard Wolff erhält hingegen eine Entschädigung.

Fabian Baumgartner
Drucken
Das Medizinhistorische Museum sorgt in Zürich nicht nur für Schaudern, sondern auch für Juristenfutter. (Bild: Keystone)

Das Medizinhistorische Museum sorgt in Zürich nicht nur für Schaudern, sondern auch für Juristenfutter. (Bild: Keystone)

Iris Ritzmann brachte die «Affäre Mörgeli» durch eine Indiskretion ins Rollen, davon ist Andrej Gnehm überzeugt. Eineinhalb Jahre lang hat der umtriebige Zürcher Staatsanwalt im Umfeld der Titularprofessorin ermittelt, ihre Datenträger und ihren E-Mail-Verkehr sowie Anruflisten nach belastendem Material durchforstet. Nun hat er Anklage erhoben gegen Ritzmann. Dies schreibt die Oberstaatsanwaltschaft in einer Mitteilung vom Donnerstag. Konkret wird der 52-jährigen Medizinhistorikerin vorgeworfen, im Spätsommer 2012 zwei vertrauliche Berichte des Medizinhistorischen Instituts der Universität Zürich sowie weitere geheime Informationen zu Christoph Mörgeli an einen Journalisten des «Tages-Anzeigers» herausgegeben zu haben. Damit habe sie Mörgelis Persönlichkeit tangiert, heisst es in der 7-seitigen Anklageschrift des Staatsanwalts.

Wolff erwägt Rechtsschritte

Bei den Dokumenten handelt es sich um den damals noch unter Verschluss gehaltenen akademischen Bericht für das Jahr 2011 und um die Untersuchung einer internationalen Expertenkommission unter der Leitung von Professor Robert Jütte von 2012. In diesen beiden Berichten wurde der SVP-Nationalrat und Professor stellenweise massiv kritisiert.

Allerdings konnte der Staatsanwalt nicht abschliessend beweisen, dass es Ritzmann war, welche die Informationen herausgab. Es bleibt bei Indizien. Sieben Fälle listet Gnehm insgesamt auf, in denen Ritzmann das Amtsgeheimnis verletzt habe. So soll die Titularprofessorin auch die Zugangsdaten für diverse universitäre Datenbanken herausgegeben haben. Zudem habe sie mehrfach per E-Mail Interna an den Journalisten vermittelt. Die Strafanträge will Gnehm anlässlich der Hauptverhandlung stellen.

Ritzmann selbst weist die Vorwürfe weiterhin vehement zurück, wie sie auf Anfrage sagt. «Ich bin froh, dass der Fall nun endlich von einem Gericht geprüft wird.» Die Situation für sie und ihre Familie sei derzeit sehr schwierig, auch weil sie keinen Lohn erhalte. «Die Universität Zürich spricht von einer selbstverschuldeten Kündigung, deshalb ist noch unklar, wann die Arbeitslosenversicherung zahlt», sagt Ritzmann. Zudem sei es für sie kaum möglich, an einer anderen Hochschule eine Stelle zu finden, da die Strafanzeige von der Universität Zürich ausgegangen sei und diese sich bis heute als Partei am Prozess beteilige. Die Titularprofessorin war aufgrund der von Gnehm gesammelten Indizien im Oktober 2013 von ihrem Posten am Medizinhistorischen Institut entlassen worden. Wenig später stolperte auch der damalige Rektor der Universität Zürich, Andreas Fischer, über die Affäre.

In Zukunft wieder an der Zürcher Hochschule arbeiten darf hingegen Ritzmanns Ehemann Eberhard Wolff. Er war beschuldigt worden, an den Indiskretionen seiner Frau beteiligt gewesen zu sein. Die Universität hatte ihn deshalb für die Zeit des Strafverfahrens freigestellt. Nun musste Gnehm das Verfahren einstellen. Eine Amtsgeheimnisverletzung habe Wolff nicht «anklagegenügend» nachgewiesen werden können, heisst es im Schreiben der Oberstaatsanwaltschaft. Darauf reagiert hat auch die Universität. Die Freistellung werde nun aufgehoben und Wolff zu vergleichbaren Bedingungen angestellt, sagt deren Sprecher Beat Müller. Wo Wolff genau arbeite, sei aber noch nicht definitiv geregelt.

Wolff sagte am Donnerstag, er sei sehr wütend über das Verhalten des Staatsanwalts. Die Einstellung des Verfahrens gegen ihn sei eigentlich eine Selbstverständlichkeit, und es hätte schon viel früher dazu kommen müssen. Gnehm habe sich während des Verfahrens zumindest am Rande des Amtsmissbrauchs bewegt, findet Wolff. «Ich werde nun mit meinem Anwalt besprechen, ob wir rechtliche Schritte gegen Staatsanwalt Gnehm unternehmen.»

Das Ehepaar Ritzmann/Wolff war im letzten November verhaftet worden. Der Festnahme vorausgegangen war eine Hausdurchsuchung. Während rund eineinhalb Jahren galt das Paar als dringend tatverdächtig. Die Entlastung von Wolff hat deshalb auch grössere finanzielle Konsequenzen. Wolff forderte vom Staatsanwalt Schadenersatz in der Höhe von rund 100 000 Franken und eine Genugtuungszahlung. Zur zugesprochenen Summe wollte man sich bei der Oberstaatsanwaltschaft nicht äussern. Die Entschädigung liege aber tiefer als von Wolff verlangt, sagt Sprecherin Corine Bouvard.

«Keine Spuren hinterlassen»

Ritzmann und Wolff standen auch im Verdacht, einem Journalisten der Zeitung «Schweiz am Sonntag» (damals noch «Der Sonntag») vorzeitig Informationen zugespielt zu haben, dass Christoph Mörgeli von der Universität Zürich entlassen werde. Tatsächlich löste die Hochschule das Arbeitsverhältnis kurz nach der Publikation des Artikels auf und stellte Mörgeli frei. Den Beschuldigten habe in diesem Fall aber nicht nachgewiesen werden können, dass sie Kontakt mit Journalisten der Zeitung gehabt hätten, schreibt die Staatsanwaltschaft. Das Verfahren wird jedoch nicht eingestellt, sondern gegen Unbekannt weitergeführt.

Eine heikle Rolle spielte dabei auch die Zürcher Bildungsdirektorin Regine Aeppli. Der Anfang Juni publizierte Untersuchungsbericht der Aufsichtskommission Bildung und Gesundheit kam zum Schluss, Aeppli habe ihre Kompetenzen überschritten, indem sie die Entlassung Mörgelis befohlen habe. Aeppli bestreitet dies allerdings.

Am Anfang der Affäre Mörgeli stand nicht die Indiskretion, sondern eine vernichtende Mitarbeiterbeurteilung im Februar 2012 durch Institutsleiter Flurin Condrau. Von Condraus Vorgänger Beat Rüttimann noch gelobt, erhielt Mörgeli plötzlich eine ungenügende Beurteilung: Seine Arbeiten enthielten «keine analytische Fragestellung, keine Interaktion mit der Forschung anderer», es gebe «kaum oder keine Auftritte bei Fachkonferenzen Medizingeschichte» und Mörgeli habe «keine erkennbaren Spuren in der Medizingeschichte hinterlassen», heisst es in einer der NZZ vorliegenden Passage. Condrau beantragte damals, im September eine zweite Mitarbeiterbeurteilung durchzuführen. Das weitere Geschehen ist bekannt.

Zum Thema