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Pestalozzischüler feiern SPD-Politikerin Johanna Tesch

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Mit selbst gemachten Plakaten erklären Johann (l.), Joram und ihre Mitschüler, wer die SPD-Politikerin war.
Mit selbst gemachten Plakaten erklären Johann (l.), Joram und ihre Mitschüler, wer die SPD-Politikerin war. © Rainer Rüffer

Eine Geburtstagsfeier der besonderen Art organisierten gestern Drittklässler der Pestalozzi-schule im Riederwald: Mit Saft, Kuchen und einem Geburtstagsständchen feierten sie den 140. Geburtstag der SPD-Politikerin Johanna Tesch auf jenem Platz, der nach ihr benannt wurde.

Die Infos über das Leben von Johanna Tesch sprudeln nur so aus Joram (9) heraus. Johann (8), der neben ihm steht, kommt kaum mit seinem eigenen Wissen über die SPD-Politikerin dazwischen.

„Geboren wurde Johanna Carillon am 24. März 1875 in Frankfurt. Sie war die Tochter eines Schneidermeisters. Bis zu ihrer Hochzeit lebte sie im Haushalt ihrer Eltern. Sie hat gekocht, geputzt, und andere Dinge erledigt“, erklärt Drittklässler Joram von der Pestalozzischule. Und sie war 1919 für die SPD Mitglied jener Nationalversammlung, die die Verfassung der Weimarer Republik ausarbeitete, und sie war von 1920 bis 1924 SPD-Abgeordnete im Reichstag.

Den 140. Geburtstag der Politikerin, die am 13. März 1945 im Konzentrationslager Ravensbrück starb, beginnen die Jungen und Mädchen mit einer kleinen Geburtstagsfeier samt Geburtstagsständchen und Kuchen auf dem Johanna-Tesch-Platz am Westende der Riederwald-Siedlung. „Es war eine Idee der Kinder“, sagt Liliana Alem, eine der beiden Klassenlehrerinnen der bilingual deutsch-spanischen Klasse.

Ursprung sei die Beschäftigung der Kinder mit ihrem Stadtteil und speziell mit den Namensgebern der dortigen Straßen, erklärt Liliana Alem. „In der dritten Klasse beschäftigen sich unsere Schüler schon seit einigen Jahren mit Frankfurt und mit ihrem Stadtteil, dem Riederwald.“

Spontane Idee

Die Straßen im traditionellen Arbeiterviertel sind nicht von ungefähr nach berühmten Personen der Arbeiterbewegung benannt: Karl Marx, Friedrich Engels oder dem Mitbegründer der SPD, Ferdinand Lassalle. „Es sind alles Männer, nur eine Frau ist darunter: Johanna Tesch“, sagt Liliana Alem. „Als sie auf das Datum ihres Geburtstags stießen, hatten sie spontan die Idee, ihren Geburtstag zu feiern. Sie haben dann überlegt, was man für so eine Feier alles braucht“, sagt Helga Göpper, die zweite Klassenlehrerin der Kinder. Sie stellten Plakate zusammen für eine kleine biografische Ausstellung und buken Plätzchen, Muffins und Kuchen.

Geschmückter Platz

Für die kleine Geburtstagsfeier schmückten die Kinder den Johanna-Tesch-Platz mit Wimpeln, hängten ihre Plakate und das Kuchenbuffet auf und – das darf bei einer Geburtstagsparty nicht fehlen – sangen einige Lieder. „Viel Glück und viel Segen etwa“ oder „Viva la musica“ auf Spanisch, aber auch „We shall overcome“ und „Die Gedanken sind frei“ – ein Lied, das wohl auch in das Repertoire von Johanna Tesch gepasst hätte.

„Sie hat sich sehr dafür eingesetzt, dass Kinder nicht arbeiten müssen und statt dessen zur Schule gehen dürfen“, erzählt Johann. Und sie habe den Bildungsverein für Frauen und Mädchen in Frankfurt mit begründet, ergänzt Joram. „Sie heiratete 1899 den Schneidermeister Richard Tesch. Und sie hatte drei Söhne: Carl, Wilhelm und Friedrich.“

Ein paar Meter weiter stehen ein paar Eltern der Kinder. „Ich muss zugeben, dass ich nicht wusste, wer Johanna Tesch ist. Auch wenn wir nur ein paar Meter entfernt wohnen“, sagt Mimi Herceg. Durch die Forschungen der Kinder hätten sie viel gelernt, sagt auch Tulcac Bazkurt. „Nun kennen wir unseren Stadtteil viel besser. Auch dass Johanna Tesch hier gelebt hat.“ Fast hätten sie das Haus in der Max-Hirsch-Straße nicht gefunden, weil es gerade saniert wird und die Gedenktafel für Johanna Tesch abgehängt ist.

Ein Grund für die Beschäftigung mit dem Stadtteil sei, dass viele Eltern der Pestalozzischüler aus den unterschiedlichsten Ländern kommen, so Schulleiterin Anne Wehr. „Sie kennen die Geschichten über den Riederwald also nicht und können sie ihren Kindern nicht erzählen.“ Nur wer seine Heimat liebe, setzte sich für sie ein, „und bevor man etwas lieben kann, muss man es kennen“, erklärt Wehr, wie wichtig das Projekt ist. „Nur so schlagen die Kinder hier Wurzeln.“

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