Schreibt man Gaddafi oder Elkaddafi?

Bei der Jagd nach Despoten kommt es auf sprachliche Feinheiten an. Weil ihre Namen auf Sanktionslisten der Behörden stehen, dürfen zum Beispiel der libysche Autokrat Muammar Ghadhafi und seine Entourage weder in den USA noch in der EU oder der

Von Patrick Imhasly
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Aufenthaltsort Tripolis, Schreibweise unklar: der libysche Diktator. (Bild: Imago)

Aufenthaltsort Tripolis, Schreibweise unklar: der libysche Diktator. (Bild: Imago)

Bei der Jagd nach Despoten kommt es auf sprachliche Feinheiten an. Weil ihre Namen auf Sanktionslisten der Behörden stehen, dürfen zum Beispiel der libysche Autokrat Muammar Ghadhafi und seine Entourage weder in den USA noch in der EU oder der Schweiz neue Konten bei Banken eröffnen; ihre bestehenden Einlagen sind längst gesperrt. Doch wenn es darum geht, diese Verbote in die Praxis umzusetzen, stossen die Geldinstitute mitunter auf ungeahnte Schwierigkeiten – solche mit der Sprache.

Ob Elkaddafi, Gaddafi oder Kadhafi: Für den Namen des libyschen Obersts gibt es im lateinischen Alphabet Dutzende, vielleicht sogar Hunderte verschiedene Schreibweisen – nach welcher Bezeichnung soll man suchen? Oft sehen nicht einmal die Behörden klar. So führt das US-Finanzdepartement in seiner Sanktionsliste zwölf Varianten des Namens Muammar Ghadhafi. In der entsprechenden Verordnung des Bundesrats wird er im März dieses Jahres Muammar Kadhafi genannt, inzwischen ist er dort zu Moammar Mohammed Abu Minyar Gaddafi mutiert.

Hilfe könnte jetzt von der jungen Schweizer Firma Linguistic Search Solutions unter der Leitung von Bertrand Lisbach kommen. Das Unternehmen hat eine neuartige Software entwickelt, welche die Suche nach Despoten «präziser und zuverlässiger» machen soll, wie Lisbach erklärt.

Herkömmliche Programme vergleichen die Schreibweise von Namen Buchstabe für Buchstabe nach sehr einfachen mathematischen Regeln. Damit diese Algorithmen etwa den Namen des früheren russischen Präsidenten Jelzin (auf Deutsch) und Yeltsin (auf Englisch) als denselben erkennen, müssen sie Änderungen an drei Positionen tolerieren. «Bei dieser Unschärfe würde das System aber auch Namen wie Jelinek, Lenin oder Merlin auflisten», erklärt Lisbach, der Psychologie und Informatik studiert hat. «Notwendig sind Algorithmen, die den Ursachen der Schreibvariationen auf den Grund gehen, und diese sind linguistischer Natur.» Linguistische Suchsysteme erkennen so, ob zwei Namen tatsächlich unterschiedlich sind oder bloss Varianten desselben Namens.

Erste Systeme im Einsatz

«Wir brauchen unbedingt solche neue linguistische Systeme», sagt Victoria Meyer, Expertin für den Abgleich von Namen. «Die herkömmlichen, immer noch weit verbreiteten Programme funktionieren zu wenig gut.» Um auf Nummer sicher zu gehen, überprüfen Schweizer Banken Kundendaten teilweise in aufwendiger Kleinarbeit von Hand. Im Auftrag der Uno und mit Unterstützung diverser Grossbanken und Regierungsstellen – darunter Credit Suisse, UBS und das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) – hilft Victoria Meyer dabei, dass die Sanktionslisten von Suchsystemen besser verarbeitet werden können. Dazu gehört auch die Anreicherung der Listen mit Informationen über die Herkunft und den Gebrauch von Namen.

Erste linguistische Suchsysteme kommen bei Banken in der Schweiz bereits zum Einsatz. Dem Vernehmen nach helfen sie, Namen zu entdecken, die man früher nicht gefunden hätte. Aber auch sie können manchmal zu sogenannten falsch-positiven Treffern führen, die dann weiter abgeklärt werden müssen.

«Dann wird es abenteuerlich»

An sich haben Sprachwissenschafter das Problem schon lange beseitigt, dass bei der Übertragung eines Namens aus einer anderen Schrift ins lateinische Alphabet Ungenauigkeiten entstehen. Dafür nutzen sie das Verfahren der Transliteration. Das ist eine buchstabengetreue Übertragung des Originals in unsere Schrift – versehen mit speziellen Zeichen, die für den Laien kryptisch aussehen. Dem Fachmann erlauben sie, zum Beispiel einen arabischen Namen in einer anderen Schrift darzustellen, ohne dass es dabei zu Missverständnissen kommen kann.

«In der behördlichen oder journalistischen Praxis hat dieser akademische Standard allerdings keine Bedeutung», erklärt Bertrand Lisbach. Dort werden Begriffe nicht transliteriert, sondern transkribiert – also geschrieben, wie sie in unseren Ohren ungefähr tönen. Anders als etwa beim Chinesischen gibt es aber für die Transkription des Arabischen keine verbindlichen Regeln. Erschwerend kommt hinzu, dass die Aussprache eines arabischen Namens in verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich sein kann. Auch werden kurze Vokale nicht geschrieben. «Kommen dann noch Laute vor, für die wir keine Entsprechung haben, wird es abenteuerlich», sagt Lisbach.

Solchen Feinheiten soll die Software von Linguistic Search Solutions gerecht werden. Darauf hofft nicht nur der umtriebige Geschäftsführer, sondern auch seine Kunden wie die UBS, das Seco oder kommerzielle Datenbanken, die ihre Informationen über die Schreibweise der Namen von Despoten oder Geldwäschern an Banken verkaufen.