Robert Hotz – ein Zürcher Jesuit betreibt ein Hilfswerk in der Ukraine

Im Gespräch fsi. Er habe immer schon den Menschen helfen wollen, sagt Pater Robert Hotz. Da habe sich ein Theologiestudium natürlich angeboten. Medizin hätte ihn auch interessiert, aber er sei nicht klug genug gewesen, um Arzt zu werden. Das allerdings

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Im Gespräch

fsi. Er habe immer schon den Menschen helfen wollen, sagt Pater Robert Hotz. Da habe sich ein Theologiestudium natürlich angeboten. Medizin hätte ihn auch interessiert, aber er sei nicht klug genug gewesen, um Arzt zu werden. Das allerdings ist eine Untertreibung. Der in Zürich aufgewachsene Sohn eines reformierten Vaters und einer katholischen Mutter trat 1956 als 21-Jähriger in den Jesuitenorden ein. Er absolvierte das Oberseminar der Universität Zürich, hat ein Lizenziat der Hochschule für Philosophie in Pullach und schloss in Lyon das Studium an der theologischen Hochschule Fourvière und dem Institut Catholique mit dem Doktortitel ab. Er war Gymnasiallehrer in Feldkirch, Lektor für Theologie an der Universität Freiburg und an der Theologischen Hochschule Chur sowie Dozent für Russistik und Politologie an der Hochschule St. Gallen. Und seit ein paar Jahren ist er Ehrendoktor der medizinischen Fakultät der Universität Lemberg. So einer wäre auch ein guter Arzt geworden.

Ein Slawophiler durch und durch

Allerdings hätte Robert Hotz als Arzt seiner anderen grossen Leidenschaft kaum nachgehen können: Seine enge Studierstube in der Kommunität der Jesuiten am Hirschengraben in Zürich birst geradezu vor slawisch-orthodoxen Artefakten. In den Regalen stehen zahllose Bücher in kyrillischer Schrift, und an den Wänden hängen wunderschöne Ikonen. Es gibt russische und ukrainische Porzellanfiguren, byzantinische Kreuze und Dutzende von hübsch bis kunstvoll bemalten Eiern, die im christlich-orthodoxen Glauben wichtige Symbole für das Leben und die Wiederauferstehung sind. Und natürlich wird Besuchern schon am Vormittag ein guter Wodka kredenzt. Das gehört sich so.

Pater Hotz sitzt in einem niedrigen Fauteuil in der Sitzecke und erzählt, wie er bereits als Kind gerne orthodoxe Messen besuchte. Die Jesuiten kennen eine orthodoxe Tradition, und Hotz gehört als Mitrat – also als Abt – der mit Rom unierten ukrainischen katholischen Kirche des byzantinischen Ritus an. 1958 in Pullach entdeckte er die sowjetische Literatur. Seine freundlichen Augen blitzen hell hinter den Brillengläsern, als er von seinem Lieblingsdichter Majakowski schwärmt und erklärt, dass die von der Propaganda instrumentalisierten Schriftsteller gar nicht so linientreu gewesen seien wie behauptet und dass sie einen steten Kampf gegen die Zensur gefochten hätten. Demnächst erscheint sein Buch über die Rebellen in der russischen Literatur.

Vom Journalismus zum Hilfswerk

Ab 1964 arbeitete Pater Hotz für das Ostreferat als Journalist in der Sowjetunion und ab 1966 auch in Polen. Er belieferte zunächst Radio Vatikan und später auch das Schweizer Radio und Fernsehen und den Südwestfunk sowie Zeitungen mit seinen Berichten; gelegentlich erschienen auch in der NZZ Beiträge aus seiner Feder. Er machte sich mit seiner Arbeit im damaligen politischen Umfeld hierzulande nicht nur Freunde. Man unterstellte ihm oft eine schönfärberische Berichterstattung, weil er sich nicht scheute, das kommunistische Bildungssystem zu loben oder auf die Befreiung der Frauen aus den patriarchalischen Strukturen in den südlichen und östlichen Gebieten des Sowjetreiches hinzuweisen. Und man warf ihm zu grosse Nähe zu den Machthabern vor. «Aber wenn man etwas erreichen will, muss man auch den Umgang mit den Mächtigen pflegen», betont Hotz. «Ausserdem gab es auch bei diesen wie überall nicht nur Schwarz und Weiss, sondern alle möglichen Zwischentöne.»

Er pflegte zwar Kontakte zu den Palästen, aber er verkehrte ebenso mit den Dissidenten und natürlich auch in den Hütten, beim Volk, zu dem er als Priester stets guten Zugang hatte. 1992, nach dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion, baten ihn die Schweizer Malteserritter um Support beim Aufbau eines Hilfswerks in der Westukraine: Pater Hotz fand eine neue Aufgabe, die ihn weit mehr erfüllt als der Journalismus und die sein Bedürfnis, Menschen in Not zu helfen, mit seinem Interesse an der Medizin verbindet.

Spitzenmediziner als freiwillige Helfer

Anfangs arbeitete Hotz mit den Maltesern zusammen, aber schon bald waren ihm der mühsame Umgang mit der Bürokratie und die endlosen Sitzungen zu viel. Er beschloss, seine eigene Hilfsaktion Westukraine ins Leben zu rufen. Deren Ziel ist es, die marode Gesundheitsversorgung der 950 000-Einwohner-Stadt Lemberg und von deren Umgebung zu verbessern, Schulen für gesunde und auch behinderte Kinder sowie Waisenhäuser aufzubauen und auch bei der Renovation von Kirchen zu helfen. Dabei kommen Hotz seine langjährigen Kontakte in der Region zugute. Er hat ehrenamtliche Helfer aus allen Konfessionen und auch aus allen nationalen Minderheiten der Ukraine. Nur gerade sein Koordinator in Lemberg ist fest angestellt, «und zwar zu einem Lohn, der nicht zu hoch ist für die Ukraine, aber hoch genug, damit der Mann nicht stehlen muss».

Die Arbeiten in der Schweiz erledigt Hotz alle selber. «Für das Jahresgehalt einer Sekretärin könnte ich in der Ukraine fast ein Spital bauen.» Auch hierzulande ist er ein geschickter Netzwerker. So konnte er Spitzenmediziner wie zum Beispiel Ulrich Exner, Charles Dumont und Kan Min, drei Spezialisten für orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparats, als Mitarbeiter gewinnen. Sie und weitere Ärzte aus der Schweiz reisen regelmässig nach Lemberg, um in den dortigen Spitälern Kinder und auch erwachsene Patienten zu operieren. «Sie tun dies mit den vorhandenen bescheidenen Mitteln. Und sie tun dies nicht als Dozenten, sondern als Partner der dortigen Ärzte», betont Hotz. «Die ukrainischen Mediziner sind bestens ausgebildet und motiviert, sie verfügen aber leider nur über ungenügende Ausrüstungen und Medikamente.»

Armut und Not kennen keine Konfession

Viele jugendliche Patienten leiden unter durch die Katastrophe von Tschernobyl 1986 verursachten Gendefekten, manche sind an Krebs erkrankt. Die Hilfsaktion Westukraine kümmert sich auch um Überlebende unter den rund 10 000 Liquidatoren, jenen jungen Männern aus Feuerwehr, Armee und Polizei, die zu Aufräumarbeiten in dem havarierten Kraftwerk abkommandiert und verstrahlt worden waren. «Sie haben bei dieser Arbeit ihre Gesundheit auch für uns im Westen geopfert», betont Hotz. Und: «Wir behandeln im Rahmen unserer Möglichkeiten grundsätzlich alle, die Hilfe brauchen. Krankheit, Armut und Not kennen keine Konfession.»