Jedenfalls nicht der Favorit

In der Ligue 1 nur auf dem neunten Platz, im Cup jüngst das Out gegen den Drittligaklub US Quevilly: Für Olympique Marseille und Coach Didier Deschamps ist der Champions-League-Viertelfinal gegen den FC Bayern (20 Uhr 45) die letzte Chance, eine verkorkste Saison zu retten.

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Champions League als letzte Saisonhoffnung: Marseille-Trainer Didier Deschamps. (Bild: Keystone/AP)

Champions League als letzte Saisonhoffnung: Marseille-Trainer Didier Deschamps. (Bild: Keystone/AP)

wan. «Marseille – nichts geht mehr», «Quevilly macht OM lächerlich», die Schlagzeilen von «L’Equipe» und von «Le Parisien» sind eine Woche alt, und sie umschreiben vor dem Champions-League-Viertelfinal gegen den FC Bayern (20 Uhr 45) treffend, wie es derzeit um Olympique Marseille bestellt ist.

Denn dem Aus im Cup ausgerechnet gegen den drittklassigen Klub US Quevilly (2:3 n.V.) am vergangenen Dienstag folgte am Wochenende im Ligamatch ein sprödes 1:1 beim Abstiegskandidaten, dem OGC Nizza.

Spötter werden sagen: Immerhin ein Punktgewinn. Dazu noch in Unterzahl zustande gebracht. Die fünf Ligamatches zuvor hatte der von Didier Deschamps trainierte Klub nämlich verloren. In der Ligue 1 ist der neunfache Landesmeister und gleichsam die einzige Mannschaft Frankreichs, die seit je die Champions League gewinnen konnte, auf einen – am eigenen Anspruch gemessen – indiskutablen neunten Platz abgerutscht. Marseille hat derzeit keine gute Laune.

1993 – ein unverhoffter Triumph

Nur in der Champions League hat «l'OM» während der Saison das Soll erfüllt, erst recht, nachdem der Klub das allerdings in dieser Saison ebenso indisponierte Team von Inter Mailand im Achtelfinal eliminieren konnte. Soweit wie diesmal, in die Runde der letzten acht Mannschaften, hat es der Klub zuletzt 1993 geschafft – eben, als der Wettbewerb im Titelgewinn gegen die AC Milan endete. Basile Boli gelang per Kopfball das einzige Tor in der vom damaligen Captain Deschamps geführten Mannschaft. Der Final wurde in München ausgetragen.

Deschamps weiss also, wie es sich anfühlt, in München einen Champions-League-Final zu gewinnen. Aber das als Omen für den diesjährigen Final am 19. Mai – wiederum in der bayerischen Landeshauptstadt – auszulegen, wäre zu gewagt, zu gross sind vor allem die personellen Probleme vor dem Match gegen den FC Bayern.

Dass sich Souleymane Diawara im Match beim OGC Nizza das Kreuzband gerissen hat, ist die restliche Saison betreffend ein Manko, für das Hinspiel aber wäre der Innenverteidiger ohnehin gesperrt gewesen.

Schwerer wiegt, dass auch der Stammgoalie Steve Mandanda nach einer gelb-roten Karte im Achtelfinal-Rückspiel bei Inter heute Mittwochabend – ausgerechnet an seinem 27. Geburtstag – nicht spielen darf. Der in Kinshasa geborene französische Nationaltorhüter hat für seine Leistungen in dieser Saison als einer der wenigen Marseillaiser Professionals gute Kritiken bekommen. Seinem Ersatz Gennaro Bracigliano wird nicht nur ein weniger exzellentes Reaktionsvermögen bescheinigt, er ermöglichte US Quevilly im Cup mit seinem Fehler auch noch den 3:2-Siegtreffer. Deshalb, so hiess es am Mittwochnachmittag, wird wohl Elinton Andrade, ein 32-jähriger Brasilianer, das Tor hüten. Andrade hat seit 2009 nur acht Pflichtspiele für Marseille absolviert, in dieser Saison gar noch kein einziges.

Deschamps benötigt Erfolge

Mehr denn je scheint der Coach Deschamps in Marseille unter Druck. Noch stützt die Hauptaktionärin und Klubbesitzerin, Maragrita Louis-Dreyfus, den 43-Jährigen, aber dass sie auch noch ein sang- und klangloses Out Olympiques in der Champions League hinnehmen würde, scheint nur schwer vorstellbar.

Als Marseille 1993 den Wettbewerb gewann, nahm der Klub alle Hilfe in Anspruch, die er bekommen konnte. Der französische Verband stimmte zum Beispiel zu, den drittletzten Saisonmatch vorzuziehen, um der Mannschaft vor dem Final eine längere Pause zu garantieren.

Auch diesmal lassen die Franzosen nichts unversucht. Um ausgeruht in das Rückspiel gegen die Bayern gehen zu können, wurde der Match des 30. Spieltags zwischen Marseille und Montpellier vom 31. März auf den 21. April verschoben. «Dem Klub von Marseille die besten Bedingungen für das doppelte Duell zu ermöglichen», so begründete der Verband seine Massnahme.

Olympique Marseille als Hoffnungsträger, wenn das einmal gutgeht.

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