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Fiese Fußball-Finten Der Trixxer

Mit Füßen aus Malta wird das nichts. Aber von diesem Buch können selbst Ribéry, Ronaldinho und Diego noch lernen. Sportstudent Florian Munz kennt und kann 250 Tricks der Fußballprofis - SPIEGEL ONLINE zeigt die schönsten.
Von Stefan Brunner

"250", sagt Florian Munz knapp. Und er spricht nicht von Konzertbesuchen oder seiner CD-Sammlung. Er spricht von den 250 Fußballtricks, die er beherrscht: Zidane-Drehung und Ronaldinho-Trick, Inside-Outside Stop and Go und Front Tween Shift Turn.

Dabei zeigt sich Florian Munz, 28, eher bescheiden. Unscheinbar ist er, klein von Statur, wie seine Vorbilder, die Littbarskis, Häßlers, Scholls, Ribérys. Und wie Dribbelkünstler Maradona, der schon mit 15 seinen ersten Profi-Vertrag und mit 16 sein Debüt in der argentinischen Nationalelf hatte - für Munz der Beste überhaupt.

Florian Munz legt sich den Ball zurecht, um in der Turnhalle der TU München - dort studiert er Sport - ein paar Tricks vorzuführen. "Das ist einer der einfacheren", kündigt er an. Langsam geht er seinem Gegenüber entgegen, nimmt Tempo auf, es zuckt in der linken Wade, dann geht alles ganz schnell: ein angetäuschter Haken nach rechts, einer nach links, und vorbei ist er am Gegner. "Das war ein Double Outside Stepover", sagt Munz, als spräche er von einem doppelten Cheeseburger.

Für jeden Gegner eine andere Finte

Was er genau mit seinem mächtig modern klingenden Anglizismus meint, steht auf Seite 163 in seinem Buch "Fußball Trix": "Beim Double Outside Stepover dribbelst du gerade oder leicht nach rechts auf den Gegenspieler zu und täuschst durch einen Übersteiger mit der rechten Außenseite eine Mitnahme zur rechten Seite an. Gleich darauf zeigst du den zweiten Stepover mit der linken Außenseite und nimmst den Ball dann zur rechten Seite mit."

Eigentlich ganz einfach. Eben das ist auch das Ziel, das Munz mit seinem Buch verfolgt: es den Fußballvirtuosen und denen, die es werden wollen, leicht zu machen. Alle Tricks zu sammeln, zu kategorisieren, mit Fotoreihen zu veranschaulichen und per Erklärung für alle nachspielbar zu machen.

Für jede Position zum Gegner - frontal, seitlich, mit dem Rücken - greift Munz in eine andere Trickkiste. Für jeden Gegner - Störer, Abwartende, Mitläufer, Beobachter - hält er eine andere Finte bereit. Es gibt Tricks aus dem Stand und aus dem Lauf, Drehungen, die schon Beckenbauer zum Schwindligspielen parat hatte, und Flips, mit denen Frankfurts legendärer Okocha eine ganze Verteidigergeneration düpierte.

Als er sich im Sportstudium mit Ballkünstlern beschäftigte, stellte Florain Munz fest: So ein Buch gibt es noch nicht - meist werden nur Standardtechniken erklärt. Also ließ er sich ein Jahr lang in den Fernsehsessel fallen, um Fußballvideos zu studieren. Im Internet fahndete er nach weiteren Tricks. Und was es nicht zu sehen gab, das probierte er selbst aus und trainierte täglich. Immer darauf aus, lückenlos herauszufinden, was mit einem Fußball alles möglich ist.

Vokabular aus der Skater-Szene

"Danach hatte ich 30 Begriffe gefunden." Etwa: Reverse, Stroke, Tween, Turn - englisches Vokabular, das der Skate- und Snowboarder-Szene entstammt. "Die Begriffe konnte ich kombinieren und damit alle Tricks klassifizieren." Die Geburtsstunde eines neuen Fußball-Alphabets. Zusammen mit seinem Bruder und zwei Freunden als Gegenspieler, Torwart und Kameramann spielte Munz alle Tricks und filmte sie - mit ihm in der Hauptrolle, zwei Wochen auf einem Tübinger Bolzplatz.

Zu jedem Trick gibt es im Buch eine Fotoreihe (siehe unten). Von der Motivation, alle Finten der Filigrantechniker selbst zu beherrschen, wurde Munz schon als jugendlicher Kicker getrieben. Damals, als Jürgen Klinsmanns Fallrückzieher zum Tor des Jahres gewählt wurde. "Mein Vater musste mit mir so lange auf den Fußballplatz gehen und Flanken schlagen, bis ich diesen Fallrückzieher beherrschte."

Es gibt keine andere Sportart, so wird im Buch für wissbegierige Trickser betont, "in der man so viele Einzeltechniken erlernen kann wie im Fußball". Allein die Vielseitigkeit der Berührungsmöglichkeiten sei Beweis. So kann der Ball mit der Innen- und der Außenseite, mit dem Spann, der Sohle oder der Hacke des Fußes gespielt werden.

Van der Vaart und Ribéry haben Bücher bekommen

Doch dem Zauber tritt man in der konservativen Fußballgemeinde reserviert entgegen. Nach wie vor gebe es Vorbehalte gegen das Tricksen, diese "brotlose Kunst". Das kann Munz schon nicht mehr hören. "Viele Trainer wissen einfach nicht, wie sie das trainieren sollen, also lassen sie es gleich ganz bleiben."

Munz erinnert an Mehmet Scholl, den sein Jugendtrainer mal wegen zu viel Trickserei vom Platz nahm, obwohl es niemanden mehr zum Einwechseln gegeben hatte. Die Dribbelkunst sei doch nicht gleichbedeutend mit Eigensinnigkeit, gibt der Trix-Autor zu bedenken und nennt die mannschaftsdienliche wie virtuose Spielkunst von FC-Bayern-Spieler Franck Ribéry als Beispiel - ein "Kingstyler" in der Sprache von Munz.

"Ihr könnt euch da ja mal hinstellen, und wenn dann Ribéry mit 180 Stundenkilometern an einem vorbeigelaufen kommt, gibt's wenige, die den stoppen können", sagte Abwehrspieler Manuel Friedrich einmal über den Turbo-Franzosen. Könnte denn selbst der noch etwas aus dem Buch lernen? "Na klar!" Munz hat Ribéry eine Ausgabe geschickt, auch für den Ex-Hamburger Rafael van der Vaart und den Dortmunder Trainer Jürgen Klopp hat er je ein Exemplar zur Post gebracht.

Antwort aus dem Profi-Lager gab es bislang keine. Indes werden erste Amateurtrainer auf Munz aufmerksam und laden ihn zum Dribbel-Workshop für Jugendspieler ein. Munz deutet das als ersten Hinweis auf das Heranwachsen einer neuen, verspielteren Fußballgeneration. "Das erlebe ich auch auf den Bolzplätzen, da gibt es unglaubliche Talente. Ballgewandte Spieler, die nur noch konditionell fit gemacht werden müssen."

Bloß kein ödes Hin- und Hergeschiebe

Seine Augen beginnen zu leuchten, wenn er über die Nachwuchskicker spricht, die über ihren Betten Poster von Cristiano Ronaldo hängen haben und im Pausenhof versuchen, dessen Tricks nachzuspielen. Die nicht nur den Computer im Kopf, sondern auch wieder den Ball am Fuß haben. Die Moves und Shifts sagen, wenn sie Bewegungen meinen.

Ein starkes Indiz, dass die Antwort von Florian Munz auf das bodenständige Hin- und Hergeschiebe deutscher Bundesliga-Spieler den Zeitgeist trifft. Womöglich hat er Recht mit seiner Prophezeiung: "Der Fußball wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren verändern, da bin ich mir ganz sicher."

Munz legt sich noch einmal den Ball zurecht. "Den Lieblingstrick, bitte", wird er aufgefordert. Er muss nicht lange überlegen, als hätte er die Techniken wie WM-Daten im Gedächtnis abgelegt. Nur dass er sein Wissen nicht verbal, sondern vertikal und diagonal zum Besten gibt. Cross Heel Split Shift heißt das Meisterstück, bei dem der Ball zuerst nach rechts gespielt wird, mit Hacke dann zurück nach links. Darauf folgt eine blitzschnelle Drehung um die eigene Achse.

Und während der Gegenspieler noch analysiert, ist Munz schon auf und davon.

Die elf schönsten Tricks zum Schauen & Nachmachen - klicken Sie auf die Links, um die Anleitungen im Bild zu sehen.

Der Schwere - Hacke, Spitze, Oko-cha-cha

Anfang der neunziger Jahre hatte Eintracht Frankfurt eine ganz große Zeit und war drauf und dran, die Bayern vom Thron zu stoßen - mit Bein und Möller, Okocha und Yeboah (nur original mit dem Fanclub "Yeboahs Zeugen"). Verblüffende Auftritte hatte vor allem Augustine "Jay Jay" Okocha, wenn er als Solist die Spieler im gegnerischen Strafraum umkurvte. "Overhead-Flip" - mit dieser Finte übertölpelte er so manchen Gegner. Ideal beim Posen, Gegner fuchsen oder einfach nur dabei, mit einem genialen Moment das Spiel zu entscheiden.

Der Schnelle - Outside Stepover 2 Switch Outside Shift

Übersteiger, Tempowechsel, Torerfolg - wenn's mal flott gehen soll, hilft dieser Standardtrick, um den Gegner rechts oder links liegen zu lassen.

Der Einfache - Inside Cut-Shift

Tarnen & Täuschen ist die Grundausrüstung fürs Tricksen. Dieser Klassiker basiert auf einer simplen Körpertäuschung. Stimmt das Timing, sieht der Gegner dumm aus.

Der Fiese - 180°-Tunnel

Noch eine Kleinigkeit dümmer sieht er aus, wenn man ihn rückwärts tunnelt. Das ist gemein, fast arrogant, aber auch irgendwie humorvoll - und klappt bei weitem nicht immer.

Der Elegante - Sideward 360° (Zidane-Drehung)

Hat der Gegner die Mutter oder Schwester beleidigt? Jetzt nicht die Nerven verlieren - diese filigrane Drehung huldigt dem Altmeister Zinédine Zidane. Wer nicht in den Gassen von Marseille gelernt hat, sondern, sagen wir: bei Schwarz-Weiß Essen, der könnte jetzt über die eigenen Füße stolpern.

Der Überraschende - Switch Cross Side-Split

Den Ball rechts am Gegner vorbei spielen, links laufen, dann die Wiedervereinigung - das klappt häufiger. Richtig schön gerät diese Finte mit einer Extra-Gemeinheit.

Der Gefährliche (Gegner trifft Bein statt Ball) - Cross Reverse-Shift

Der tut nix, der will nur spielen ... Wenn aber jetzt der Gegenspieler mit Fahrt angerauscht kommt, kann es schmerzhaft werden - nur was für angstfreie Charaktere.

Der Unbekannte - Front Flip 2 Switch Overhead Heel Kick

Dieser Trick ist quasi Okocha anders herum - gelingt es, den Gegner so übertölpeln, läuft der rot an und redet nach dem Spiel kein Wort mehr mit Ihnen.

Der Kaiserliche - Double Outside Turn (Beckenbauer-Drehung)

Die Beckenbauer-Drehung ruft Erinnerungen an die WM '74 wach. Klappt nur bei Spielern mit extrem kleinen Wendekreis - Modell Pirouette auf dem Bierdeckel.

Der Effektive - Shot-Fake 2 Inside Cut-Shift

Immer wieder gern genommen: Brachialen Schuss antäuschen und dann ab mit der Kirsche - können viele schon in der C-Jugend, ist aber ungemein wirksam, um den Gegenspieler zu foppen.

Der Favorit von Florian Munz - Cross-Heel Split-Shift

Tanzeinlagen findet Florian Munz spitze. Dieser Trick ist mit dem Wiener Walzer entfernt verwandt und macht mächtig was her auf dem Bolzplatz.