Das EU-Renaturierungsgesetz gilt Fachleuten zufolge als eines der wichtigsten Vorhaben in der europäischen Naturschutzgeschichte. Die Umsetzung könnte aber an einer fehlenden Stimme scheitern. Trotz Appellen aus der Wissenschaft lehnte Österreich das Gesetz bisher ab. Doch die einheitliche Blockade der Bundesländer begann gestern zu bröckeln.
Die beiden SPÖ-regierten Bundesländer Wien und Kärnten werden die Landeshauptleutekonferenz darum ersuchen, „der nun vorliegenden EU-Renaturierungsverordnung doch näherzutreten“, schrieb Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gestern auf X (Twitter).
„Schutz & Erhalt einer intakten Natur sind mir ein Herzensanliegen. Gemeinsam mit @BgmLudwig haben wir den aktualisierten Trilog-Entwurf zur Renaturierungsverordnung nochmals prüfen lassen. Wir halten es beide für sinnvoll, die Haltung der LH-Konferenz neuerlich zu diskutieren“, schrieb Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) auf X.
SPÖ-Parteivorsitzender Andreas Babler und SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder begrüßten die Entscheidung von Wien und Kärnten. Jetzt sei Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) „am Ball“, so Schieder.
Mikl-Leitner mit Bedenken
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verwies gestern in einem Brief an Ludwig und Kaiser auf einen Rundruf, der ergeben habe, dass die Bedenken gegen die geplante EU-Richtlinie „bei allen anderen Bundesländern unverändert aufrecht sind“. Sie sprach sich dafür aus, nochmals darüber zu beraten.
Besonders die Landwirtschaft werde von den EU-Plänen „massiv“ bedroht, schrieb Mikl-Leitner und verwies darauf, dass durch die Maßnahmen die Herstellung heimischer Lebensmittel „massiv“ beschnitten würde.
Gewessler für Gesetz
Ohne die Zustimmung der Bundesländer muss sich Österreich bei der geplanten Abstimmung im nächsten EU-Umweltrat am 17. Juni in Luxemburg enthalten, da Naturschutz in Österreich Sache der Länder ist. Umweltministerin Gewessler sind somit die Hände gebunden, auch wenn sie, wie sie immer wieder betonte, hinter dem Gesetz stehe.
„Ich habe dieses Vorhaben immer unterstützt – Österreich konnte jedoch aufgrund der einheitlichen Ablehnung der Länder nicht zustimmen. Deshalb finde ich die Initiative der beiden Bundesländer sehr vernünftig. Ich werde Landeshauptmann Ludwig und Landeshauptmann Kaiser nun rasch um Klarstellung bitten, ob die Bundesländer Wien und Kärnten ihre Ablehnung hiermit aufheben und eine österreichische Zustimmung möglich machen“, hieß es in einer ersten Reaktion der Umweltministerin.
Der Hintergrund des Gesetzesvorhabens: Mehr als 80 Prozent der Lebensräume in Europa sind laut EU in einem schlechten Zustand. Durch das Gesetz soll sich die Natur erholen können. Bis 2030 sollen mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen der EU sowie bis 2050 alle Ökosysteme abgedeckt sein, die einer Renaturierung bedürfen.